Jörgen Smit Seiten – Biografie

 > Startseite  > Bibliografie  > Vortragsverzeichnis > Fotos

Markus Jermann
Zum Tode unseres Sektionsleiters Jörgen Smit im Mitteilungsblatt der Jugendsektion

Am 10. Mai 1991, nachts um 2:15 Uhr, hat Jörgen Smit seinen physischen Leib verlassen. Er hatte während einer langen Zeit für viele junge und ältere Menschen in einer Art aus der Anthroposophie heraus gesprochen, die wegweisend war und je nach unserer Willensstärke auch in der Zukunft richtungsweisend sein kann. Der Kleine Initiativkreis der Jugendsektion war gerade einen Tag vor seinem Tod im Hof Kotthausen bei Wuppertal zusammengekommen, um während dreier Tage zu arbeiten. Den Donnerstagabend gestalteten wir aus einem spontanen Bedürfnis heraus so, dass wir über die Bedeutung von Jörgen für die Arbeit der Jugendsektion sprachen und ich erzählte von meinen Eindrücken bei meinem letzten Besuch in der Klinik. Auch probierten wir an diesem Abend, unsere Initiativen und Willensintentionen deutlich zu formulieren. Warum arbeiten wir in der Jugendsektion? Haben wir die dazu notwendigen Fähigkeiten? Was wollen wir mit Kraft und Enthusiasmus gemeinsam gestalten? Mit dem starken Gefühl, dieses Gespräch als Aufruf an die eigenen Willenskräfte erlebt zu haben, legten wir uns schlafen. Um drei Uhr morgens wurde ich geweckt, um von Rembert Biemond die Todesnachricht in Empfang zu nehmen. Vor dem Frühstück las Anneka Lohn den Beginn des Johannes-Evangeliums und wir machten dann alles bereit, um zusammen nach Domach zu fahren, wo sich in der nächsten Woche im Haus der Jugendsektion an der Dorneckstrasse 1 ein intensives Leben entfaltete. Wir setzten unsere begonnene Arbeit fort und gleichzeitig begleiteten wir den Weg unseres Sektionsleiters durch Mithilfe bei den Totenwachen in der Nacht und Türdienst in seinem Haus während des Tages.
Es soll an dieser Stelle keine Aufzählung folgen, was Jörgen Smit in diesen Jahren für die Jugendsektion getan hat, die Gefahr der Unvollständigkeit wäre enorm. Vielmehr möchte ich als Gedenken an ihn in diesem Mitteilungsblatt noch einmal zurückschauen auf die letzte grosse gemeinsame Arbeit mit ihm im Zusammenhang der Jugendsektion.
Eine zuerst feine, dann aber immer stärker sich offenbarende Arbeits-Ziel-Richtung in den letzten Jahren war die Beschäftigung mit der Frage der Zusammenarbeit. Zum einen zeigte sich das in der Einrichtung der neuen Arbeitsformen, Kleiner und Grosser Initiativ-Kreis, zum andem noch viel deutlicher im mehr erfühlten, inhaltlichen Arbeitsstrom. Die Frage, ob und wie Menschen zusammenarbeiten können, die das seelische Leben pflegen, zeigte sich immer stärker. Wie verstehen wir diese Aufgabe? Wie führen wir sie durch in der Freien Hochschule und der Gesellschaft? Nach der Beschäftigung mit der geschichtlichen Entwicklung der Jugendsektion arbeiteten wir an der Frage: Was ist das Michael-Mysterium? Es folgte der Blick in die Vergangenheit:
Wie waren die Mysterien früher? Die Vorträge «Mysteriengestaltungen» wurden gearbeitet und es entstand der Impuls, auch praktisch die «neuen Mysterien» in Angriff zu nehmen: Initiativkonferenzen und eine grosse Sommertagung mit dem Thema Dreigliederung des sozialen Organismus folgten. Dieser grosse Schwung regte uns an, unsere Arbeit zu prüfen. Phrase, Konvention und Routine aus dem Jugendkurs und die Arnheimer Jugendansprache wurden besprochen. Diese Arbeit führte uns zu den Karmavorträgen von Arnheim. Da wurde uns bewusst, dass das Zusammenarbeitsmotiv immer stärker sich geltend machte. Die Beschäftigung mit dem Platonismus, dem Aristotelismus und ihrer gemeinsamen Aufgaben an der Schwelle zum neuen Jahrtausend leiteten die über eine lange Zeit gehende Arbeit an Goethes Märchen ein. Immer interessierte uns dabei der Aktualitätsbezug zu heute und das Schicksal der anthroposophischen Gesellschaft. Damit war die Oktobertagung 1990 erfunden: Der Zusammenhang zwischen Goethes Märchen Von der grünen Schlange und der schönen Lilie und dem Schicksal der anthroposophischen Gesellschaft. Anders ausgedrückt, darf ich sicher sagen, dass viele von uns in Bezug auf diese Fragen und das Ende des Jahrhunderts eine Art «Damokles-Schwert-Gefühl» erleben, auch wenn es zeitweilig von einem «Sisyphos-Gefühl» abgelöst wird.
Nun war es oft so mit Jörgen Smit, dass er auf das aufbaute, was wir vorher erarbeitet hatten. Das heisst, an einer Wochenendzusammenkunft übernahm er gerne den Beitrag am Sonntagmorgen, um die durch vorherige Arbeit erhitzten Gemüter zu besänftigen, oder auch, um die zuwenig in Schwung geratene Arbeit deutlich in einem Guss zu gestalten. Das sei zum Verständnis der nun folgenden Ausführungen vorausgeschickt.
Die Oktobertagung 1990 begann auf eine etwas unübliche Art, verschiedene Gruppen der Jugendsektion in Europa hatten auf ihre Weise frei einen jeweils anderen Teil des Märchens von der Grünen Schlange und der schönen Lilie vorbereitet und künstlerisch dargestellt. Dadurch tauchten alle tief in dieses lebendige Bildergeschehen ein und gleichzeitig hatten wir dadurch am Samstag Mühe, mit diesen Bildern fertig zu werden. Es entspannen sich Gespräche, wo man immer nicht ganz genau begrifflich fassen konnte, was nun wirklich im Märchen ausgesagt wird oder nicht. Auf der anderen Seite fiel auf, dass einige probierten ihre Darstellung dadurch verständlich zu machen, dass sie Bilder aus dem Märchen zu Hilfe nahmen. Durch Beiträge von Michael Werner und Christopher Wichert erlebten wir zudem die Fragen: Was hat das Tiefe in diesen Märchenbildern mit Heute, mit der Welt, der ganzen Welt, zu tun? Wie steht da diese zusammenarbeitende Gemeinschaft von Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft in der Welt? Findet diese intentionierte Zusammenarbeit auch wirklich statt? Damit war auch die Fähigkeitsfrage an uns selbst gestellt. Sehe ich denn mein Leben in einem lebendigen grossen Bild, wo alles zusammenstimmt, wo alle «Erlebnisse und Figuren» zusammenarbeiten? Das war in wenigen Worten die Stimmung, mit der wir am Sonntagmorgen zum Vortrag von Jörgen zusammentrafen.

Markus Jermann

Erstveröffentlicht in: Mitteilungsblatt. Freie Hochschule für Geisteswissenschaft. Jugendsektion. Doppelnummer 47/48 Juli 1991

zurück zur Hauptseite Biografie


> Mitarbeit  > Kontakt  > Impressum > Intern > English