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Heinz Zimmermann
Worte gesprochen bei der Generalversammlung der A.A.G. im Goetheanum 1992

Liebe Freunde!
Viele von Ihnen waren ja anwesend, als wir hier in diesem Saale unseres Freundes Jörgen Smitin dieser großen Feierstunde¹ gedachten und es ist jetzt nicht der Ort, eine ausführliche Lebensbeschreibung Jörgen Smits zu geben, sondern ich möchte mit ein paar wenigen Gesichtspunkten die Bedeutung dieses Freundes für die Gesellschaft, für die Hochschule, für uns alle in Erinnerung rufen.
Besonders eindrücklich waren die Begegnungen mit Jörgen Smit, wenn man ihn als Vortragsredner erlebte, wie er da im Alter – er konnte ja nicht mehr so gut gehen – etwas linkisch das Rednerpult bestieg und dann mit seiner beredten Gestik, oft in polaren Sätzen sprach, zwei gegensätzliche Gesichtspunkte entfaltete und dann die Darstellung so steigerte, immer aus dem ganz praktischen Leben beginnend, daß man in das Zentrum der Anthroposophie hineinkam. Er sprach nicht über Anthroposophie, sondern die Anthroposophie erblühte durch die Art, wie er einen Gedanken entfalten konnte. Und diese Gestik ist ja etwas, was zu ihm gehörte; eine geheime Vorliebe hatte er nämlich seit alters her für die Schauspielkunst. Er war überhaupt ein großer Freund der Künste. Es konnte nie genug Sprachgestaltung, Dramatik, Eurythmie, Musik aufnehmen, auch hier am Goetheanum, aber eben, er war ein geheimer Schauspielfreund, und von den norwegischen und schwedischen Freunden hört man immer wieder, mit was für einer Intensität er an dem Mysteriendrama «Die Prüfung der Seele» als Großmeister mitgewirkt hat und einmal bei einer Tagung in Järna in einer .dramatischen Darstellung den «Hüter der Schwelle» spielte; schon durch seine äußere Gestalt wohl wirksam, wir können uns das gut vorstellen.
Wenn man von seinen Vorträgen wegging, dann waren eigentlich immer zwei Erlebnisse maßgeblich. Zum einen, daß man begeistert war über die Anthroposophie: Was ist das für ein Wunder! Und zweitens, daß man in seinem Willen angeregt war: Jetzt mußt du wieder etwas tun! Also es war nicht so, daß man das Gefühl hatte: Jetzt weiß ich wieder etwas, – sondern es ging wirklich durch den ganzen Zuhörer hindurch: Jetzt habe ich wieder Initiative und Mut weiterzumachen.
Ein ganz beliebtes Wort von ihm, gerade auch in pädagogischen Zusammenhängen, ist das Wort vom «werdenden Menschen», und man kann über seine ganze Tätigkeit dieses Wort vom «werdenden Menschen» setzen; einmal als Leiter der Jugendsektion, wo er hinblickte auf die jugendlichen Menschen in dem Sinne «Was wird daraus?», das Werdende zu erblicken, und, da manchmal oft etablierte, gesetztere anthroposophische Freunde vielleicht manchmal sogar vor den Kopf stieß, mit was für Leuten er sich da manchmal auseinandersetzte. Aber das war doch immer das Werdende und wenn man heute hört von Menschen, die in der Jugendsektion aktiv mitgearbeitet haben, dann finden wir solche Menschen in ganz verantwortlichen Stellungen innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft, voll den Hochschulgedanken, den Gedanken des Goetheanums, den Gedanken der Weihnachtstagung repräsentierend: Der werdende Mensch – Autorität durch Kompetenz; nicht durch irgendeinen Anspruch, sondern immer durch Kompetenz.
In der Pädagogischen Sektion ist es ihm gelungen, einen Gedanken durch die Tat zu entwickeln, daß es eine Weltschulbewegung gibt, aber nicht nur abstrakt, sondern so, daß er tatsächlich in allen Schulen auf der ganzen Welt lebte: ein gemeinsames Bewußtsein. Auch hier immer den werdenden Menschen betonend, sowohl im Kinde als auch im Lehrer selber.
Und dann schließlich seine letzte, intensive Tätigkeit im Bereich der Hochschule, wo ja auch der werdende Mensch, jetzt im Sinne «der Mensch, der bewußt den Weg zur Schwelle gehen will», angesprochen wird, auch da hat Jörgen Smit ganz entscheidende Anregungen und Impulse gegeben; so daß auf diesem Felde in der gesamten anthroposophischen Bewegung Entscheidendes inauguriert und entwickelt wurde.
So hatte er in seinem letzten Jahr eine Unzahl verschiedener Orte, wo er jedes Jahr den Zyklus der ganzen Klassenstunden, jeweils an einem Wochenende, bearbeitete, zwei oder drei Stunden an einem der Wochenenden. Und das ist ja auch das, was, glaube ich, alle als das entscheidende Erlebnis jetzt auch im Rückblick in einer gewissen Distanz zu seinem Erdenabschied haben konnten, nämlich, daß wir alle durch ihn den Eindruck bekamen von einem Menschen, der den Schulungsweg wirklich in eigener Kompetenz, vertreten kann, in der Kompetenz, daß die Übungen in ganz strengem Sinne sich auf Rudolf Steiner bezogen haben, aber immer persönlich durch Phantasie und eigene Erfahrung belebt waren. Phantasie im Übungsweg, das war auch das Mittel, durch das er immer wieder in seinen Ausführungen und seinen Zusammenkünften gewirkt hat, auch in den Lehrerbildungsstätten in einer ganz begeisternden Art. Wir haben zum Beispiel im Seminar in Dornach diesen Kurs immer in eine Zeit gelegt, wo wir wußten, da ist eine große Krise unter den Studenten, und nachher war das alles gelöst.
Wenn man zusammenfaßt, was Lebensmotiv von Jörgen Smit ist, dann kann man sagen, die selbstverständliche Verbindung des anthroposophischen Lebens und der Arbeit als Pädagoge. Das drückt sich schon in den wenigen Zahlen aus: mit zwanzig Jahren wurde er Mitglied der Gesellschaft, mit fünfundzwanzig – erstaunlich ! – Zweigleiter in Bergen ... ich weiß nicht, wie viele fünfundzwanzigjährige Zweigleiter es heute gibt ... mit fünfunddreißig Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Norwegen, und mit einundvierzig Vorsitzender, derAnthroposophischen Gesellschaft in Norwegen. Also, bis zum zweiundvierzigsten Lebensjahr eigentlich die ganze Stufe in der anthroposophischen Verantwortung der Gesellschaft in seinem Lande, dann die Ausweitung nach Schweden, Järna, dann in die ganze Weltbewegung durch die Berufung als Vorstand am Goetheanum.
Und nun gibt es ein Grundmotiv, das durch sein ganzes Leben hindurch wirkt und das schon in seiner frühen Jugend auftritt, und man kann es mit zwei Sätzen charakterisieren. Das eine ist die Frage: Wie komme ich zu einem wirklich sachgemäßen Urteil? Urteilsbildung, unbestechliche anthroposophische Urteilsbildung, das ist das eine Motiv. Und das andere Motiv: Wie finde ich Christus?
Und jeder, der Jörgen Smit erlebt hat, der auch seine Veröffentlichungen, die ja meist Nachschriften von Vorträgen sind, gelesen hat, der hat unmittelbar erfahren, daß Jörgen Smit nicht nur ein Christus-Sucher, sondern auch ein Christus-Finder war.
In dem Vorwort zu dem Buch «Freiheit erüben» von Valentin Wember schreibt er als Geleit, was er für Leser wünscht, und man kann die Leser, die er da charakterisiert, gleich auch als Eigenschaften seiner eigenen Persönlichkeit empfinden; da schreibt er nämlich: Ich wünsche diesem Buche viele energische, zielbewußte und tatkräftige Leser.
Energisch, zielbewußt, tatkräftig – durch und durch Jörgen Smit!
Nun wollen wir diese beiden Persönlichkeiten², die hier in ganz kurzer Form aufgeklungen sind, stellvertretend für alle die Menschen, die uns in diesem Jahre verlassen haben, die uns jetzt von der anderen Seite der Schwelle Hilfe geben können, nennen, und wenn wir jetzt im Anschluß die Worte von Rudolf Steiner hören, dann mag jeder an seinen nächsten Verstorbenen denken, so daß eine große geistige Gemeinschaft entstehen kann.

Dr. Heinz Zimmermann

 
¹) Gedenkfeier am 15 Mai 1991 im großen Saal im Goetheanum

²) Dr. Virginia Sease hatte unmittelbar vorausgehend über Werner Glas gesprochen

Gedenkworte gesprochen anlässlich des Todengedenkens während der Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft im Goetheanum 1992. Veröffentlicht in: Was in der anthroposophischen Gesellschaft vorgeht vom 17. Mai 1992, 69. Jahrgang, Nr. 20

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